01. Juni 2020
Zum zweiten Mal ist nun der Deutsche Verlagspreis vergeben worden, mit dem außergewöhnliche verlegerische Profile kleiner und unabhängiger Verlage ausgezeichnet werden sollen, Verlage, »die unsere Kulturlandschaft so facettenreich gestalten, die mit ihren Werken neue Ideen hervorbringen und gesellschaftliche Debatten anstoßen. Das Buch ist ein Kulturgut und der Deutsche Verlagspreis ein klares Bekenntnis dazu!«
Auch in diesem Jahr haben wir uns wie viele andere Verlage mit diesen Zeilen angesprochen gefühlt; auch in diesem Jahr wurden wir und viele andere Verlage nicht berücksichtigt. Darüber enttäuscht zu
sein, heißt nicht, den Siegern ihren Sieg nicht zu gönnen; dazu Fragen zu stellen, heißt nicht, damit zu den ewigen Nörglern zu gehören. Ungeachtet der Tatsache, dass wir eine Initiative zur Stärkung
der unabhängigen Verlage begrüßen und jedem ausgezeichneten Verlag diese Würdigung von ganzem Herzen gönnen, möchten wir diese Gelegenheit nutzen, um ein paar Gedanken zusammenzufassen.
Von den nun ausgezeichneten Verlagen wurden 27, also fast die Hälfte, in beiden Jahren ausgezeichnet; insgesamt wurden bisher hundert Verlage ausgezeichnet – gut 230 Verlage wurden dabei nicht
berücksichtigt, von denen sicherlich sehr viele so wie wir auch die offiziellen Kriterien genauso erfüllen wie die ausgezeichneten Verlage und die sich nun wie wir fragen, woran es liegen mag, dass
man wieder leer ausgeht. Die Worte, mit denen die Sieger gewürdigt werden, treffen sicherlich in vielen Punkten auch auf viele der nicht gewürdigten Verlage zu.
Sehr viele unabhängige Verlage arbeiten stetig daran, ihr Programm weiterzuentwickeln und unter verschärften Bedingungen die Hürden der Aufmerksamkeit in den Medien und am Buchmarkt zu nehmen und für
den Erfolg seriöse Kooperationspartner zu finden. Dabei erleben unabhängige Verlage oft genug, dass ihr Engagement ins Leere geht. Auf den Bestenlisten und unter Preisträgern sind kaum echte
Überraschungen zu finden, nämlich so gut wie nie unbekannte Autoren und Verlage – dabei ist der Bekanntheitsgrad ja nicht zwangsläufig abhängig von der Qualität, sondern oft Resultat von Werbeetat
und Verflechtungen.
Dass die Etablierung eines Verlags und seiner Autoren Knochenarbeit ist, ist jedem klar, natürlich auch, dass Buchhändler keine Ladenhüter einkaufen wollen und Vertriebsprofis nur dann interessiert
sind, wenn für sie auch etwas drin ist. Wenn aber das, was man nicht kennt, im Vorfeld bereits aussortiert wird, einfach weil man es nicht kennt und weil es noch keine Verflechtungen gibt, dann ist
es für unabhängige Verlage nicht oder nur im absoluten Glücksfall möglich, sich zu etablieren – und das trotz Qualität.
Darüber hinaus machen unabhängige Verlage oft genug die Erfahrung, dass die eigenen Titel zwar Beachtung finden – am Ende hat man aber unsere Expertise abgegriffen, jedoch ohne uns oder die
herangezogenen Titel überhaupt zu nennen.
Bei der Entscheidung über den Verlagspreis hat sich die Jury wohl kaum nur auf die Selbstdarstellung in den Bewerbungsunterlagen berufen, sondern aufgrund eigener Wahrnehmung des Verlagsprogramms
entschieden. Hierbei muss man sich aber in Erinnerung rufen, dass viele der unabhängigen Verlage im Buchhandel nicht geführt werden und eine enorme Hürde zu nehmen haben, um in einer stark
segmentierten Welt bemerkt zu werden, damit eine solche Wahrnehmung im Hinblick auf das eigene Verlagsprofil überhaupt entstehen könnte.
Die eigentlich auf viele unabhängige Verlage passenden Begründungen des Verlagspreises lassen vermuten, dass es eh nur um den Verlagsnamen geht, denn hätten bestimmte Dinge wirklich herausgestochen,
würde man diese dann nicht explizit benennen? Gerade das ist es doch, was bekannt zu machen wäre, nämlich: Was genau hebt diesen und jenen Verlag
von den anderen ab? So aber entsteht der Eindruck, dass auf die wirklichen Besonderheiten weder Wert gelegt noch diese entsprechend berücksichtig wurden.
Es stellt sich überhaupt die Frage, wie eine Jury anhand der geforderten Bewerbungsunterlagen die 335 Verlage angemessen kennenlernen und eine faire Entscheidung treffen könnte? Und ist die Leistung
der nicht gewürdigten Verlage denn wirklich nicht auf demselben Level wie die der gewürdigten Verlage? Was fehlt denn genau bei den nicht gewürdigten Verlagen? Oder gibt es doch weitere
Auswahlkriterien, die nicht bekanntgegeben werden – während viele der offiziellen Auswahlkriterien gar nicht seriös beurteilt werden können, weil man sich nicht in angemessener Weise mit den gut 330
vorgestellten Programmen beschäftigen kann?
Der Verlagspreis lässt viele unabhängigen Verlage, die im Tagesgeschäft schon oft genug durch’s Raster fallen, erneut durch’s Raster fallen – obwohl der Verlagspreis ein Preis gerade für die unabhängigen Verlage sein will, für die »facettenreiche
Kulturlandschaft«. Will man mit diesem Preis also nur einige wenige dieser Facetten, einige wenige nach eng gesteckten Kriterien als etabliert angesehene unabhängige Verlage unterstützen?
Dann lohnt sich aber für die anderen die Mühe nicht, sich überhaupt zu bewerben; dann sollte man die eigentlichen Ziele für die Verteilung öffentlicher Gelder auch offenlegen.
Jenen Medienleuten, Buchhändlern und Vertriebspartnern, die uns und unseren Autoren und Titeln bisher eine ehrliche Chance gegeben haben und geben und uns damit helfen, unser Verlagsprofil zu
schärfen, danken wir an dieser Stelle ausdrücklich! Den anderen unabhängigen Verlagen, die wie wir viel vorhaben, starke Titel produzieren und wie wir dennoch oftmals durch’s Raster fallen, möchten
wir Mut zusprechen und sie einladen, mit uns ins Gespräch zu kommen, denn als unabhängiger Verlag wissen wir das Engagement anderer unabhängiger Verlage in besonderer Weise zu würdigen und hoffen für
uns alle, dass wir das Buch auf alte und neue Weise hochhalten können.
Mit freundlichen Grüßen aus dem Ruhland Verlag
Kaarina Kyröläinen